Interview zu den Anfängen des Strichcodes: Ein Zeitzeuge berichtet über die Entwicklung

Was für eine Geschichte! Wer hätte gedacht, dass der 26. Juni 1974 sich bis heute so positiv auswirkt?

Original schwarz-weiß Foto aus den 70er-Jahren mit einem Round Table von vier männlichen Barcode-Pionieren in Anzug und Krawatte mit einem Aufnahmegerät aus dieser Zeit

Diese vier Herren um Peter Niederhausen hatten eine Vision! Ahnten sie, dass sich der Barcode so entwickeln würde und bis heute positive Auswirkungen auf den globalen Warenaustausch hat?

Ohne die Nummer unter dem Barcode wäre der lineare Strichcode nichts wert – und umgekehrt. Wir haben mit Peter Niederhausen, Experte, Pionier und zugleich Zeitzeuge, über die Anfänge und Entwicklungen rund um den ersten Scan vor 50 Jahren gesprochen.

Warum bedurfte es in Europa bei der Länderkennzeichnung einer eigenen Lösung?

Peter Niederhausen: Es bedurfte keiner eigenen Lösung, wir haben zum Schluss die Lösung der US-Amerikaner genommen. Aber wir mussten sie erweitern, weil wir mehr teilnehmende Organisationen zufriedenstellen mussten. Ich möchte zum besseren Verständnis ein Beispiel geben: In den USA gibt es Drugstores, Warenhäuser und Lebensmittelfilialbetriebe – und die haben jeweils ein Länderkennzeichen für sich beansprucht und dann Lieferanten- und
Artikelnummern vergeben, wie sie wollten.

In Europa sprechen wir erstmal auf Länderebene über beispielsweise Deutschland, Österreich und die Schweiz. Und da haben wir noch nicht über die Bereiche des Handels diskutiert. Allein hierbei reichte die Nummernkapazität mit einer Stelle, wie in den USA praktiziert, nicht aus. Auf Vorschlag von IBM bot sich uns die Möglichkeit, stattdessen zwei Ziffern darzustellen – daraus ist das heutige „Länderkennzeichen“ oder der Länderpräfix geworden. Insofern hatten wir die Idee bei unseren Vorüberlegungen in den Jahren 1973-1974 dankbar aufgegriffen und entsprechend übertragen.

Was konnte aus dem Vorläufer der European Article Number gelernt werden?

Peter Niederhausen: Die Zeit war letztendlich zu kurz. Als wir anfingen, die Systeme umzusetzen, waren sie in den USA zwar drei bis vier Jahre alt – und trotzdem noch nicht etabliert beziehungsweise in großen Stückmengen ausgerollt. Viel zu lernen gab es also nicht. Wir konnten allerdings einige Lernkurven bei der Kennzeichnung berücksichtigen. So wollte man beispielsweise auf rot bedruckten Cola-Dosen mit silbernem Untergrund einen Strichode in roter Farbe aufbringen. Das ging nicht, die Lesbarkeit an der Scannerkasse war nicht gewährleistet.

Ansonsten hatte ich den Eindruck, dass wir bei der Umsetzung viel genauer waren. Von Beginn an hatten wir das Deutsche Institut für Normung (DIN) mit an Bord. Das DIN wurde frühzeitig auf dieses Thema aufmerksam und hatte es sich im sogenannten Arbeitskreis für Bürowesen zu eigen gemacht. Ich war dort in der Runde der einzige Händler und musste erstmal begreiflich machen, worum es uns überhaupt ging. Mit dem Ergebnis, dass wir später gemeinsam die European Article Number (EAN) in unterschiedlichen Ausprägungen wie 8-stellig oder 13-stellig verabschiedeten. Der Grundstein war also gelegt.

Wo lagen die größten Hürden bei der Umsetzung des neuen Systems?

Peter Niederhausen: Die größten Herausforderungen gab es in Deutschland. Im gleichen Zeitraum wurden nämlich ganz frisch die Bundeseinheitlichen Artikelnummern (BAN) aus der Taufe gehoben. Fünf Jahre lang wurde zuvor an diesem System gearbeitet und nun sollte es ein neues geben. Es kam zu einem Systembruch, die beiden Lösungen waren nicht kompatibel und deshalb mussten wir in letzter Konsequenz alles wegschmeißen und neu machen. Mit Erfolg!

Erstmals gab es die Möglichkeit, nur eine Nummer und nicht den Preis auf die Ware zu drucken, sondern am Regal anzubringen und über den Scan an der Kasse auszulesen. Das war die Grundidee und ist es bis heute. Was das Morgen bringt und welche Herausforderungen auf die Unternehmen zukommen, mag ich nicht vorhersagen. Vermutlich verschwinden die Striche und wir bekommen häufiger gewürfelte Punkte zu Gesicht.

Kurz-Portrait von Peter Niederhausen, Experte, Pionier und Zeitzeuge

Peter Niederhausen ist ein Barcode-Pionier der ersten Stunde. Als Organisator bei einer bekannten deutschen Warenhauskette wurde er in den 1970er-Jahren erstmals auf die neuen Nummerierungssysteme aufmerksam. Ermutigt vom Vorstand des Warenhauses und ausgestattet mit einem großen Faible für Physik und Mathematik, beschäftigte er sich von nun an tiefgründig mit Halbkreisen, Strichen, Zahlen und anderen Symboliken – bis an einem Reißbrett bei ihm zuhause die 13-stellige EAN entstand. Ein Meilenstein in der Geschichte des Handels.

Später in den 1980er- und 1990er-Jahren brachte Peter Niederhausen sein umfangreiches Wissen erst als Stellvertreter, dann als Vorsitzender des Arbeitskreises für technische Entwicklung bei GS1 Germany ein. Selbst im wohlverdienten Ruhestand ließen ihn die Barcodes nicht los, weshalb der bekennende Opern-Fan noch lange als freier Unternehmensberater tätig war. Heute genießt er musikalische Werke auf der ganzen Welt und verfolgt gespannt die Entwicklungen der neuen Barcode-Generation um den GS1 Digital Link.

Weitere Original-Fotos und Materialien wie Zahlen, Daten und Fakten rund um den allerersten Barcode-Scan vor 50 Jahren gibt es im Newsroom von GS1 Germany.

 

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