Der Anteil der Bahnen am Güterverkehr lag laut „Allianz der Schiene“ 2019 bei 19 Prozent, der von LKW war mit rund 71 Prozent fast viermal so hoch. Und das obwohl der Schienenverkehr vergleichsweise effizienter und ressourcenschonender ist. Analog gesteuerte Prozesse sind eine Ursache dafür; durch sie kommt es oft zu unausgelasteten Zügen und Leerfahrten bei gleichzeitig hoher Trassenauslastung. Eine Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs weiter zu erhöhen, liegt in der Digitalisierung seiner Prozesse. Hier setzt das Forschungsvorhaben Railconnect an, das jetzt zum Projektabschluss einen wichtigen Meilenstein für die automatisierte Zugabfertigung erreicht hat. Die Projektpartner Advaneo, FIR an der RWTH Aachen, GS1 Germany, die gleichnamige Railconnect GmbH und das Logistikunternehmen Willke entwickelten gemeinsam eine Lösung für effiziente Prozesse am Gleis: Die Railfox-App. Mit ihr kann der Triebfahrzeugführer Bahnwagen identifizieren und der Fahrt zuordnen.
Ziel des Mitte 2016 gestarteten Projekts ist die Digitalisierung der Zugabfertigung, um die heute noch überwiegend papierbasierten Prozesse zu optimieren. Bereits seit 2016 schreibt die EU-Verordnung TAF TSI vor, dass Eisenbahnunternehmen ihre Zug- und Wagendaten nach bestimmten Vorgaben digital pflegen und in der Lage sein müssen, diese auszutauschen. „Oft handelt es sich bei den abzufertigenden Zügen und Wagen um die gleichen Fahrzeuge. Also wiederholen sich die Daten häufig und die Beteiligten sind gezwungen stets gleiche Inhalte händisch einzufüllen“, weiß Jens Bungart, Manager Collaborative Research Projects bei GS1 Germany. „Die Fehleranfälligkeit bei der analogen Dokumentation ist hoch, zum einen durch die manuelle Arbeit, aber auch durch äußere Bedingungen, da Wagenmeister bei jedem Wetter im Freien arbeiten“, so Bungart weiter. Entsprechend gibt es keinen Schutz für die Papierdokumente.
Digital erfassen und dokumentieren
Mit der Railfox-App auf seinem mobilen Endgerät erstellen Wagenmeister automatisiert Wagenliste und Bremszettel. Dazu scannen sie die Codes auf den Waggons und müssen nur noch die individuellen Sendungsinformationen, wie zum Beispiel das Gewicht der Ladung, manuell eingeben. Die Anforderungen an Wagenliste und Bremszettel werden vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen vorgegeben. Bei der Zugabfertigung spielt die UIC-Wagennummer am Güterwaggon eine wichtige Rolle. Damit diese ebenfalls digital erfasst werden kann, wurde sie in den GS1 Standard GIAI (Global Individual Asset Identifier) integriert. Die Identifikationsnummer GIAI wiederum lässt sich in einem GS1 DataMatrix Code oder einem RFID-Tag verschlüsseln. Mit dem Scan dieser Datenträger lesen die Mitarbeiter am Gleis die Nummer aus. Sie ist der Schlüssel zu weiteren in einer Datenbank hinterlegten Informationen. Auf diese Weise gelingt eine strukturierte digitale Dokumentation der Frachtpapiere sowie von Wagenliste und Bremszettel, wie sie von der Betriebsrichtlinie der Deutschen Bahn gefordert wird. Die neue DIN SPEC „Digitale Zugabfertigung im Schienengüterverkehr“ beschreibt dieses Vorgehen in einem Referenzprozess. Sie steht kostenlos hier zur Verfügung: www.beuth.de/de/technische-regel/din-spec-91386/334474263
Wilke Logistik konnte die Railfox-App erfolgreich pilotieren. Dazu wurden 40 Güterwagen mit GS1 Codes gekennzeichnet und der operative Prozess der Zugabfertigung reibungslos digital durchgeführt. Die App kann ab dem zweiten Quartal 2021 kostenfrei im Google Playstore heruntergeladen werden. Eine Testversion ist vorab auf Anfrage verfügbar. Interessierte wenden sich dazu an GS1 Germany, Jens Bungart, jens.bungart@gs1.de.
Plattform für gemeinsame Innovationen
Zukünftig wird die Railfox-App auch die durchgehende Ortung von Zügen und einzelnen Wagons ermöglichen, wodurch sich kooperative Geschäftsmodelle wie zum Beispiel das Waggon-Sharing über eine Kollaborationsplattform realisieren lassen. Die Plattform soll möglichst allen Eisenbahnverkehrsunternehmen zugänglich sein und die Sicherheit der gespeicherten Daten und Inhalte gewährleisten. So können Eisenbahnverkehrsunternehmen effizienter Güterwagen vermieten oder freie Kapazitäten bei anderen Unternehmen nutzen.
Railconnect wird im Rahmen der Förderrichtlinie Modernitätsfonds („mFUND“) durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Weitere Informationen: https://mfund.rail-connect.de
Pressefoto: Scan des GS1 DataMatrix für automatisches Erfassen der Wagendaten (Quelle: GS1 Germany)
Über den mFUND des BMVI
Im Rahmen der Forschungsinitiative mFUND fördert das BMVI seit 2016 Forschungs- und Entwicklungsprojekte rund um datenbasierte digitale Anwendungen für die Mobilität 4.0. Neben der finanziellen Förderung unterstützt der mFUND mit verschiedenen Veranstaltungsformaten die Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Forschung sowie den Zugang zum Datenportal mCLOUD. Weitere Informationen finden Sie unter www.mfund.de.
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