Wenn das Bauteil zu spät oder gar beschädigt im verarbeitenden Werk eintrifft, ist guter Rat teuer: Um die Produktion nicht zu gefährden, muss das Ersatzprodukt kostenintensiv schnell nachgeliefert werden. Solche zusätzlichen Aufwände sind vermeidbar: Sensortechnologien und automatisierter, standardisierter Datenaustausch ermöglichen eine permanente Überwachung des Transports und schnelles Handeln bei Beschädigungen oder Lieferverzögerungen. Hier setzt das Förderprojekt Sasch an, das seit Oktober 2016 Lösungen für eine vernetzte intelligente Lieferkette entwickelt und getestet hat. Dabei wurden automatisch aktuelle Informationen zum Transportstatus und Zustand der Ware durchgängig erfasst. Die fünf Projektpartner BLG Logistics, Bosch Connected Industry, das Bremer Institut für Produktion und Logistik (Biba), GS1 Germany und Queo haben dazu die technischen und methodischen Voraussetzungen geschaffen und in der Praxis erfolgreich erprobt.
Sensoren begleiten den Transport
„Um eine eindeutige Transparenz über die Position und den Zustand der Ware zu erhalten, machen wir die Ladungsträger mittels angebrachter Sensoren intelligent“, beschreibt Nikolaos Servos bei Bosch Connected Industry die entwickelte Hardware-Lösung. „Die Ladungsträger melden ihren Standort sowie qualitätsrelevante Umwelteinflüsse autonom während des Transportes sowie an festen Meilensteinen in der Transportkette an eine Cloud.“ Dafür werden die von Bosch Connected Industry entwickelten Sensoren mit einer Laufzeit von bis zu neun Jahren an Paletten, Kleinladungsträgern, Gitterboxen oder weiteren Sonderladungsträgern befestigt. Die erfassten Daten übermittelt ein ebenfalls von Bosch Connected Industry entwickeltes Gateway per Mobilfunk. Von der Cloud aus gelangen sie in die Systeme der Supply Chain-Partner. Das Gateway kann stationär am Lager der Logistikdienstleister, an LKWs oder Containern angebracht werden. Es wurde im Rahmen des Forschungsprojektes weiterentwickelt: insbesondere hinsichtlich der Batterielaufzeit, eines Solarträgers zur Energieversorgung, einer Erweiterung des Speichers sowie einer externen Antenne zur besseren Erfassung der Sensordaten und des Mobilfunks mittels LTE NB1 und M1.
Des Weiteren lassen sich über stationäre Sensoren (3D-Kameras) und mit Hilfe der vom Biba entwickelten Lösung zur Bildverarbeitung die Produkte zum Beispiel während der Verpackungsvorgänge erfassen und zählen. So ist bereits zu Transportbeginn sichergestellt, dass die richtigen Waren in der tatsächlich bestellten Menge ausgeliefert werden.
„Damit die erhobenen Daten schnell, fehlerfrei und vollständig allen betroffenen Partnern der Lieferkette zur Verfügung stehen, erfolgen Kennzeichnung und Identifikation der Produkte sowie der Datenaustausch in Sasch über die Standards von GS1 Germany“, erklärt Roman Winter, Senior Manager Identification/Data Carrier bei GS1 Germany. So tragen zum Beispiel die mobilen Sensoren im GS1 DataMatrix-Code, einem zweidimensionalen Barcode, eine GS1 Seriennummer mit sich. Diese Nummer macht die Sensoren wie eine Art Personalausweis unverwechselbar. Die Sensoren sind wiederum an Paletten befestigt, die mit der Nummer der Versandeinheit gekennzeichnet sind. So wird eine Verknüpfung zwischen realer und virtueller Welt ermöglicht. Darüber hinaus hat GS1 Germany die Erweiterung des Schnittstellenstandards EPCIS auf den Weg gebracht. Ab Mitte 2020 ermöglicht dieser Standard den Austausch sensorbasierter Qualitätsdaten. Dazu wurden im Projekt in über 50 Sensor-Anwendungsbeispielen die Anforderungen aus den unterschiedlichsten Branchen erhoben.
Datenveredelung für mehr Services
Neben der direkten Zuordnung von Kontextinformation zu den Sensordaten in einer zentralen Cloud, gibt es Anforderungen und Fälle, bei denen eine zentrale Speicherung nicht erwünscht ist. Hierzu zählen zum Beispiel Informationen zur Lieferung oder zu einem Produkt. Aus diesem Grund hat der Projektpartner Queo im Rahmen des Forschungsprojektes eine unabhängige IoT-Plattform entwickelt, bei der die Sensordaten zentral gespeichert werden. Zusätzliche Informationen werden zusammen mit den Sensordaten per Schnittstellte zum Kunden mitgeliefert. Über die so „veredelten“ Daten lassen sich Services zur Sicherung der Produktqualität und Liefergarantie angeboten und schlussendlich Sondertransporte, Produktionsstillstände oder gar Rückrufaktionen vermeiden. Liegen zum Beispiel die gemessenen Temperaturen außerhalb des Toleranzbereichs, können die Verantwortlichen auf Basis dieser Echtzeitdaten sofort handeln. Zudem wurden verschiedene Konzepte der Datenvisualisierung erarbeitet, evaluiert und umgesetzt. Eine weitere Veredelung der Daten erfolgte im Rahmen des Forschungsprojektes bei Bosch Connected Industry und Queo mittels Algorithmen für die deskriptive und vorausschauende Datenanalyse. So entstand ein Modell zur Vorhersage der Ankunftszeit per maschinellem Lernen. Zudem wurden Reports konzipiert, welche aggregierte Informationen zur Qualität sowie der Auslastung von Transportkette und Ladungsträger bereitstellen.
Für die Praxistauglichkeit dieser Lösungen ließ BLG Logistics, der Logistik- und Seehafendienstleister mit internationalem Netzwerk, fortlaufend seine Expertise einfließen und koordinierte Praxistests in den USA und Deutschland. Hierbei erfolgte das Tracking einer multimodalen Lieferkette von Bremen nach Vance. Dazu statten die Projektteilnehmer einen Container mit einem Gateway und mehrere Ladungsträger mit Sensoren aus. Zusätzlich wurde die Lösung an einer innerdeutschen Transportkette evaluiert. Die frühzeitig koordinierten Transporte von BLG Logistics ließen weitere Anforderungen ableiten, welche in die Hardware- und Softwareentwicklung eingeflossen sind. Dabei ging es nicht zuletzt um die Rückführung der Sensoren nach erfolgreicher Anlieferung der Waren. Dazu Laura Weingarten, Projektmanagerin Forschung und Entwicklung bei BLG Logistics: „Die Sensorlogistik verursacht einen nicht zu unterschätzenden Aufwand und Kosten. Hier und bei anderen Teilprozessen wird deutlich, dass transparente, automatisierte Lieferketten einfacher und effizienter funktionieren, je mehr Supply Chain-Teilnehmer mitwirken“.
Nach erfolgreichem Abschluss des Forschungsprojektes werden die Ergebnisse bei den einzelnen Projektpartnern weiter umgesetzt. So arbeitet BLG Logistics an einem Service, dem Freight Quality Tracking. Bereits jetzt profitieren Kunden dadurch über mehr Transparenz in ihren Warentransporten. Zusätzlich sucht BLG Logistics weitere Anwender, die das Thema auf bestehenden Routen testen möchten. Bosch Connected Industry plant, die im Rahmen des Forschungsprojektes optimierte Hardware sowie erste Reports zur Datenanalyse innerhalb der ersten sechs Monate nach Projektende in sein aktuelles Produkt „Nexeed Track and Trace“ zu integrieren. Der erweiterte EPCIS Standard von GS1, der voraussichtlich Mitte 2020 zur Verfügung steht, wird den Austausch sensorbasierter Qualitätsdaten und viele weitere IoT-Anwendungen ermöglichen sowie die Transparenz von Wertschöpfungsketten sicherstellen. Auch die vom Projektpartner Queo entwickelte unabhängige IoT-Plattform und die vom Biba umgesetzten stationären Sensoren werden nach Projektabschluss für weitere Kundenanwendungen zur Verfügung stehen.
Pressefoto: Sensordaten für intelligente Lieferketten nutzen (Quelle: © BLG LOGISTICS/Marcus Meyer)
Sasch steht für Digitale Services zur Gestaltung agiler Supply Chains. Projektpartner sind BLG Logistics, Bosch Connected Industry, das Bremer Institut für Produktion und Logistik (Biba), GS1 Germany und Queo. Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) innerhalb des Technologieprogramms "PAiCE Digitale Technologien für die Wirtschaft" gefördert und vom Projektträger „Gesellschaft, Innovation, Technologie - Informationstechnologien/Elektromobilität“ im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln betreut. www.sasch-projekt.de
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